Die Zucht der Deichwächter

Land & Leute
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© ALEXANDER KASSNER, ALEX K. MEDIA
Heute nehmen wir euch wieder mit auf eine Reise nach Feldhausen. Dort treffen wir auf eine Berufsgruppe, deren Arbeit für unseren Küstenschutz unverzichtbar ist, aber oft im Verborgenen bleibt: die Deichschäfer. Umgeben vom leisen Blöken der Lämmer tauchen wir ein in die faszinierende Welt der Deichschafe.
Wir haben mit Anna, einer engagierten Deichschäferin, gesprochen, die uns einen tiefen Einblick in die entscheidende Rolle ihrer Tiere und der Zucht gegeben hat.
Besondere Herausforderungen in der Schafzucht
Die Schafzucht bringt ihre eigenen Herausforderungen mit sich, die viel Fachwissen und Einsatz erfordern:
• Das Problem mit den langen Schwänzen: Moderne Schafrassen, wie die Texel- und ZFlock-Schafe, die hier gehalten werden, haben oft lange, bewollte Schwänze. Wenn der Kot der Schafe aufgrund von Futterumstellung oder Parasitenbefall dünn ist, kann er am Schwanz haften bleiben und diesen ummanteln. Dies trocknet ein, baut sich immer weiter auf und führt zu einer Verengung. Im schlimmsten Fall kann das untere Stück des Schwanzes abfallen und das obere Stück am Rückenmark ziehen, was tödlich für das Schaf sein kann. Es behindert die Tiere und tut weh.
◦ Die Lösung: Um dies zu verhindern, werden weibliche Lämmer, die zur Zucht behalten werden, in jungem Alter kopiert (der Schwanz wird gekürzt). Die Böcke, die im Herbst verkauft werden, benötigen diese Maßnahme nicht.
◦ Zukunftsziel: Das langfristige Ziel ist, die Schafe so zu züchten, dass sie von Natur aus kürzere Schwänze haben und das Kopieren nicht mehr notwendig ist. Das ist jedoch ein mehrjähriger Prozess.
 
• Drillinge und Waisenkinder: Manchmal kommt es vor, dass Mutterschafe drei Lämmer gebären. Da die Mütter aber nur zwei Zitzen haben, können nicht alle gleichzeitig trinken, und oft sind die Drillinge unterschiedlich groß. Die Natur kann hier grausam sein: Manchmal stößt die Mutter das kleinste Lamm ab, da sie sich besser auf zwei konzentrieren kann, um deren Überleben zu sichern.
◦ Die Rolle der Schäfer: In solchen Fällen übernehmen die Schäfer die Fürsorge für die verstoßenen oder sehr kleinen Lämmer. Sie werden oft mit ins Haus genommen, sitzen vor der Heizung und werden mit der Flasche aufgezogen.
◦ Die "Milkbar": Für Lämmer, die selbstständiger sind oder von Anfang an dort trinken können, gibt es einen Automaten, die sogenannte "Milkbar", an der sie 24/7 Zugang zur Milch haben, ähnlich wie bei der Mutter.
◦ Adoption ist schwierig: Im Gegensatz zu Kühen sind Schafe sehr wählerisch und akzeptieren nur selten fremde Lämmer zur Adoption, es sei denn, die Geburten verlaufen gleichzeitig und es gibt noch Fruchtwassergeruch, der das Annehmen erleichtert.

Die Böcke: Wenn der Job getan ist, ruft der Urlaub!
Nachdem die männlichen Schafe, die sogenannten Böcke, ihre Arbeit in der Zuchtsaison geleistet haben, dürfen sie sich erholen. Sie werden meist um den 10. Dezember herum aus den Herden genommen und kommen zur Regeneration in den Stall. Danach verbringen sie ihre Zeit auf separaten Winterweiden, wo sie quasi eine "Männer-WG" bilden, bis ihr Einsatz im Herbst wieder gefragt ist.
Diese Trennung ist entscheidend, um eine kontrollierte Lammzeit zu gewährleisten und sicherzustellen, dass alle Lämmer im Frühjahr zur Welt kommen, um dann im Sommer den wichtigen Job der Deichverdichtung zu übernehmen. Oft werden mehrere Böcke in einer Weide eingesetzt, um die Reproduktion sicherzustellen und zu verhindern, dass sich einzelne Böcke verausgaben.

Bunte Schafe: Was die Markierungen bedeuten
Wer Schafe auf dem Deich sieht, bemerkt oft bunte Punkte, Streifen oder Schleifen. Das ist keine Dekoration, sondern hat einen wichtigen Sinn für das Herdenmanagement:
• Gesundheitsmanagement: Die Markierungen helfen den Schäfern, den Überblick über Impfungen und Entwurmungen zu behalten. Wenn Schafe entwurmt werden, werden sie markiert, um zu sehen, wer schon dran war und wer noch muss.
• Verletzungen und Behandlungen: Beobachten die Schäfer eine Verletzung, etwa ein Umknicken, einen eingewachsenen Zehennagel oder eine andere Blessur, wird das betroffene Schaf behandelt und mit einem Farbstreifen am entsprechenden Körperteil markiert. So können die Schäfer kontrollieren, ob sich der Zustand in ein bis zwei Tagen verbessert hat oder weitere Maßnahmen nötig sind. Auch für Touristen ist dies hilfreich: Wenn sie sich sorgen und anrufen, können die Schäfer anhand der Markierung schnell überprüfen, ob das Tier bereits versorgt ist.
• Deckmarkierungen: Obwohl die Deichschäferei Feldhausen diese Methode nicht intensiv nutzt, gibt es die Möglichkeit, den Böcken ein Deckgeschirr mit einem Wachsblock umzulegen. Springen sie auf ein weibliches Schaf auf, hinterlassen sie eine farbige Markierung am Po, die anzeigt, dass das Tier gedeckt wurde. Wechselnde Farben können sogar Aufschluss über den Zeitpunkt der Deckung geben.

lyndzey.mowatt@butjadingen.de
Lyndzey Mowatt
08. Juli 2025
Mein Tipp

Die Deichschäferei Feldhausen bietet gerade in der Sommerzeit Führungen durch ihren Betrieb an - wenn Du mehr über die Arbeit der Deichschäfer mit den Tieren erfahren möchtest, solltest Du unbedingt eine solche Hofführung besuchen! 

Fazit

Die Deichschafe sind weit mehr als nur putzige Bewohner unserer Küsten. Sie sind die unverzichtbaren und stillen Helden des Küstenschutzes, die mit ihrer täglichen Arbeit einen entscheidenden Beitrag zur Sicherheit unserer Deiche leisten. Indem wir uns an einfache Verhaltensregeln halten, respektvollen Abstand wahren, Müll und Lautstärke vermeiden und Hunde nur auf den Wegen um die Deiche herumspazieren führen, tragen wir dazu bei, dass diese faszinierenden Tiere ihre wichtige Aufgabe ungestört fortsetzen können